Schau „No Name Design“ in Ulm schärft den Blick fürs Alltägliche

2023-02-15 16:13:37 By : Mr. Michael Zhu

Pinsel, Besen, Stricknadeln, Brieföffner, Kämme, ein Schuhspanner, ein Schwamm und vieles mehr liegen akkurat angeordnet auf grauem Grund in einer Glasvitrine. Was sie eint, ist ihr Naturmaterial. Der renommierte Schweizer Produktgestalter und Dozent Franco Clivio hat diese Dinge in aller Welt gesammelt. Sie gehören wie rund 1000 andere Alltagsgegenstände zur Ausstellung „No Name Design“, die jetzt im HfG-Archiv des Museum Ulm auf dem Oberen Kuhberg zu sehen ist. In der Schau werden einfache Objekte gezeigt. Gegenstände, die man oft nutzt oder denen man häufig begegnet, aber selten wirklich wahrnimmt. Und die trotzdem schön sind.

Es braucht einen aufmerksamen Beobachter wie Franco Clivio, um die Schönheit der kleinen Dinge ans Licht zu bringen. Der inzwischen 80-jährige Designer, der unter anderem für Firmen wie Gardena oder Lamy Produkte entworfen hat, sammelt seit er „Hosentaschen hat“. Aber er sammelt eben nicht nur. Er geht neugierig durch die Welt, schaut sich die Gegenstände an. Und hat dabei sowohl einen Blick für die Schönheit der Objekte, als auch für ihre Funktionalität. Seine Leidenschaft gilt dem Banalen, dem scheinbar Ungestalteten. Er sucht nach dem Ungewöhnlichen im Gewöhnlichen. Dazu durchstöbert der Schweizer Flohmärkte, Trödelläden oder Eisenwarengeschäfte und Warenhäuser – immer von der Neugierde getrieben, nie von einem bestimmten Plan.

Entstanden ist über die Jahrzehnte hinweg ein grandioses Sammelsurium aus Altem und Neuem: ein Tonbandgerät und ein manueller Belichtungsmesser aus den 1920er-Jahren, Füllfederhalter aus den Vierzigern, Sonnenbrillen aus den Fünfzigern, Scheren aus den Achtzigern, Hammer, Taschenmesser oder Nähutensilien, die es auch heute noch zu kaufen gibt. Von den wenigsten Objekte ist bekannt, wer sie erfunden oder entworfen hat. Sie gehören zum anonymen Alltagsdesign und sind nicht Teil der offiziell zelebrierten Designkultur. Eben „No Name Design“ – ein Begriff, den der Schweizer Entwerfer geprägt hat.

Clivio hat die Gegenstände gemeinsam mit dem Fotografen Hans Hansen in zahlreichen Kapiteln aufbereitet. Jedes Kapitel steht für eine andere Art der Herstellung, Funktionalität oder des Materials. So gibt es in einer Vitrine nur Dinge, die aus einem Stück gearbeitet sind, wie etwa eine Bambusschöpfkelle. An anderer Stelle sind Objekte versammelt, die sich aufklappen lassen, wie beispielsweise ein Campingstuhl. Hansen hat mit viel Gespür für Gestaltung die Gegenstände fein säuberlich nach fast schon „poetischen Themen“ gelegt, so Kuratorin Christiane Wachsmann. Mehr als 20 sind es – von „Die Natur kann’s am besten“ über „Richtig addiert“ bis zu „Alles drin“. Die dachförmigen Glaskästen wurden wiederum von Clivio entworfen – genau so, dass sich die Ausstellungsstücke darin spiegeln.

Die Schau ist eine Wunderkammer par excellence. Viele Gegenstände erschließen sich sofort, einige bleiben ein Rätsel. Manches bringt einen zum Schwärmen, anderes zum Staunen. Der Funke springt jedenfalls schnell auf den Betrachter über. Das alles regt zum Nachdenken an – über Scheren, Baugelenke oder Kabel – und schärft nachhaltig den Blick fürs Alltägliche.

Seit zehn Jahren tourt die Wanderausstellung bereits durch die Lande. Der Auftakt war 2013 in Winterthur. Mit der Station an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm knüpft Clivio an seine Anfänge an. Denn er hat dort in den 1960er-Jahren studiert. An drei Sonntagen im März, April und Mai wird der Designer persönlich durch die Schau führen.

Man erfährt aber auch ohne seine Anwesenheit viel über all die Gegenstände. In bewegten Fotosequenzen wird veranschaulicht, wie die Objekte funktionieren. Daneben zeigt ein Filmporträt Franco Clivio im Reich seiner Objekte. Er erzählt über Werkstoffe und Handhabungen, übers „Sehen und Denken“ und erklärt an anschaulichen Beispielen, warum für ihn „erst schön und richtig, richtig schön ist“.

Dauer: bis 21. Mai, Öffnungszeiten: Di.-So. und Fei. 11-17 Uhr. Weitere Infos unter: www.hfg-archiv.museumulm.de